Ich habe mich seit 2011 nicht einmal gefragt: 
»Warum ich?« Nicht ein einziges Mal. Dafür hörte ich diese Frage umso 
öfter von anderen. Ich frage mich schon, wie ich sterben werde. Ob ich 
vielleicht, wie meine Mutter, nur noch daliege und atme, nichts mehr 
sagen kann, obwohl ich vielleicht alles höre, was mir gesagt wird. Warum
 »Vielleicht«? Weil ich nicht weiß, ob sie mich noch gehört hat. Ich 
konnte es nicht sehen, weder in ihren Augen noch durch Gestiken. So 
möchte ich nicht sterben. Kann ich es mir aussuchen? Nein. Niemand kann 
es sich aussuchen. 
Als ich »In meinem Fenster brennt noch Licht« vorgelesen habe, sah ich 
in die Augen der Zuhörer, nahm ihre Gestiken auf, ihre Stimmung und 
fühlte mich durch sie getragen. Es ging um Trauer, um die Zeit, in der 
man sich mitten in ihr fühlt und um die danach, obgleich Trauer nicht 
endet. Weder dadurch, dass man wieder lacht, noch dadurch, dass man sich
 dem Leben wieder zuwendet. Das Glück zu teilen, welches ich mit dem 
geliebten Menschen hatte, gehörte genauso zu meinem Anliegen dieses Buch
 vorzutragen, wie auch die schier endlos scheinende Traurigkeit, dass es
 ihn nicht mehr gibt. 
Seit 2011 sterbe ich, wie viele andere Krebskranke ab dem Tag sterben, 
ab dem sie die Diagnose bekommen. Manchmal heilt der Krebs aus, meist 
kommt er wieder. Wie bei mir. Wenn mir mein Arzt sagt:
»Sie haben noch zwischen vier und sechs Monate«, denke ich, »vielleicht 
auch zwischen acht und zehn.« Weil ich nicht wissen will, wann. Weil 
ich, im Grunde meines Herzens, nicht wissen will, wie. Aber woran, das 
weiß ich. Nicht zu wissen wann und woran man stirbt, ist besser.  Mir 
wäre lieber, ich könnte mit 70 Jahren darüber anfangen zu scherzen oder 
mit 80 oder 50. Vielleicht würde ich ein altes griesgrämiges Weib oder 
eine liebenswerte Omi, die die Pakete der Nachbarn annimmt.  Vielleicht …
 nein … bestimmt würde mir darüber zu ulken Spaß machen, würde ich doch 
nur nicht wissen: Woran und bald.
Es braucht viele Menschen, die einem Kraft geben. Es braucht nur wenige, die sie einem wieder rauben.
Danke.
 
2 Kommentare:
Der Tod, er ist gnädig, weil er einen erlösen kann,
wenn es das Leben nicht mehr schafft,
den irdischen Unbilden zu trotzen.
Der Tod ist grausam, weil er einem nimmt,
was ihm nicht gehört, das eigene Leben...
So krallt sich dennoch jeder fest am Leben,
weil er nicht weiß, was kommen wird.
Es ist die unerklärliche Furcht vor dem Ungewissen, dem Unbekannten.
Du jedoch hast Glück im Unglück,
denn Du weißt wer jenseits der Pforte
längst auf Dich wartet.
Er trägt eine schwarze Hose und ein weißes Hemd,
bei dem die obersten Knöpfe geöffnet sind.
Sein Lächeln wird Dir verdammt bekannt vorkommen...
GGlG Louis
Louis, was mir deine Worte bedeuten, kann ich gar nicht sagen. Siehst du mich lächeln? Deine Silvi
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